Keine Fahrerlaubnisentziehung bei erstmaligem Verstoß mit Cannabis

In einer brandneuen Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht seine bisherige Rechtsprechung zum Konsum von Cannabis im Straßenverkehr abgeändert (BVerwG 3 C 13.17 – Urteil vom 11. April 2019 – Presseerklärung). Wer bislang als Cannabiskonsument im Straßenverkehr auffiel und 1 ng/ml oder mehr Tetrahydrocannabinol (THC) im Blut aufwies, hatte mit folgenden Konsequenzen zu rechnen:

Zunächst wurde üblicherweise ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Der Bußgeldkatalog sieht für die erstmalige Fahrt unter THC eine Regelgeldbuße in Höhe von 500,00 € vor. Zudem wird ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Der Verstoß wird im Flensburger Fahreignungsregister mit 2 Punkten bewertet und erst nach 5 Jahren getilgt.

Darüber hinaus wurde aber stets auch ein Fahreignungsüberprüfungsverfahren durch die jeweils zuständige Führerscheinstelle eingeleitet. Bei der THC-Konzentration von 1 ng/ml oder mehr gingen die Fahrerlaubnisbehörden grundsätzlich davon aus, dass die Fahrsicherheit des Verkehrsteilnehmers beeinträchtigt sein könnte. Hieraus schlossen sie auf die fehlende Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung – FeV).

2017 hat dann der Bayerische Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsprechung durchbrochen (VGH München, Urteil v. 25.04.2017 – 11 BV 17.33). Der Verwaltungsgerichtshof argumentierte, dass die Behörde aufgrund des Wortlautes der hier in Frage kommenden FeV-Bestimmungen zunächst ein milderes Mittel zu wählen habe. Wer also erstmalig im Straßenverkehr mit 1 ng/ml THC auffällt gelte nicht per se als fahrungeeignet. Vielmehr sei zu klären, ob der Verkehrsteilnehmer in Zukunft Fahren und Cannabiskonsum trennen könne. Diese Entscheidung könne die Fahrerlaubnisbehörde im Regelfall aber nur auf der Grundlage eines MPU- Gutachtens treffen. Man dürfe demzufolge nicht sofort die Fahrerlaubnis entziehen. Vielmehr sei dem Verkehrsteilnehmer erst die Möglichkeit einzuräumen, durch Vorlage eines entsprechenden Gutachtens seine Fahrgeeignetheit nachzuweisen.

Diese neue Linie hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner oben genannten Entscheidung nunmehr bestätigt. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt zwei Aspekte seiner bisherigen Rechtsprechung:

Eine hinreichende Trennung von Konsum und Führen eines Kraftfahrzeugs liegt nicht vor, wenn bei der Fahrt die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit besteht.

Diese Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung liegt jedenfalls bei einer THC- Konzentration von 1 ng/ml THC oder mehr vor.

Neu ist folgendes:

Die Führerscheinstelle hat festzustellen, ob der Betroffene auch künftig nicht das entsprechende Trennungsvermögen besitzt. Die für diese Prognose nötige Beurteilungsgrundlage hat die Führerscheinstelle nunmehr durch die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen- Gutachtens zu bewirken.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hat unmittelbare Wirkung für die Instanzgerichte. Auch die Führerscheinbehörden werden sich auf diese neue Rechtsprechung einstellen müssen. Für die Praxis bedeutet die Entscheidung, dass es beim erstmaligen Verkehrsverstoß eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten künftig nicht mehr zur sofortigen Entziehung der Fahrerlaubnis kommen wird. Die Führerscheinstellen werden allerdings die durch den Verkehrsverstoß begründeten Fahreignungszweifel durch die Anordnung eines MPU-Gutachtens auszuräumen haben. Bis dahin verbleibt der Verkehrsteilnehmer jedenfalls im Besitz seiner Fahrerlaubnis.